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Bürokratieabbau in der Landwirtschaft: Wo stehen wir?

Landwirte in Deutschland sind zunehmend durch bürokratische Anforderungen belastet, die erheblichen Aufwand und Kosten verursachen. Laut dem Normenkontrollrat, der die Bürokratiekosten in Deutschland prüft, beläuft sich der „Erfüllungsaufwand“ für Unternehmen, Verwaltung und Bürger im Jahr 2023 auf 23,7 Milliarden Euro. Dies stellt eine deutliche Steigerung gegenüber den Vorjahren dar. Die Belastungen durch Dokumentationspflichten, Meldungen und Kontrollen sind ein ständiges Thema bei landwirtschaftlichen Demonstrationen.

Politik und Verwaltung auf Länder-, Bundes- und EU-Ebene haben diese Problematik erkannt und kündigen Maßnahmen zur Entlastung der Landwirtschaft an. Insbesondere in Brüssel haben Kommission und Parlament auf die reagiert und erste Änderungen beschlossen, die den Landwirten Erleichterung verschaffen sollen.

Lockerungen durch die EU

Das Europaparlament hat in seiner letzten Plenarsitzung vor den Europawahlen mit breiter Mehrheit beschlossen, bestimmte Auflagen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zu lockern. Ein zentraler Punkt ist die Aussetzung der Pflichtbrache von 4 % des Ackerlandes im Rahmen der GAP bis zum Ende der laufenden Förderperiode 2027. Diese Maßnahme soll durch eine neue Öko-Regelung ergänzt werden, die Landwirte zusätzlich zur Basisprämie entlohnt, wenn sie Flächen stilllegen oder Landschaftselemente anlegen.

Weitere Vereinfachungen im beschlossenen Entlastungspaket betreffen:

  • Dauergrünlandumwandlung: Betriebe, die aus der Tierhaltung aussteigen, sollen einfacher in Ackerland umwandeln können. In Deutschland dürfte diese Regelung aufgrund des Umweltrechtes jedoch kaum Anwendung finden.
  • Fruchtwechsel: Die EU-Kommission will den Mitgliedstaaten ermöglichen, den Fruchtwechsel weniger streng auszulegen. Statt eines schlaggenauen Fruchtwechsels könnte eine Anbaudiversifizierung die Vorgaben erfüllen.
  • GLÖZ-Standards: Für die Standards 5, 6, 7 und 9 (Erosionsschutz, Mindestbodenbedeckung, Fruchtwechsel, sensibles Dauergrünland) sollen kurzfristigere Ausnahmen bei Extremwetter oder für bestimmte Kulturen ermöglicht werden.
  • Kontrollen: Landwirte mit weniger als 10 Betriebsfläche sollen von Kontrollen der GAP-Auflagen befreit werden. Dies betrifft laut EU-Kommission 65 % der Subventionsempfänger.

Deutschland und die Bürokratieabbau-Vorhaben

Deutschland hat sich bei der Abstimmung in Brüssel enthalten, da sich die Regierungskoalition nicht einigen konnte. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir möchte nun die freiwilligen Öko-Regelungen in Deutschland stärken. Dazu zählt vor allem die Etablierung einer neuen Grünlandförderung. In Bezug auf die bürokratische Erleichterung für Agroforstsysteme blieb Özdemir hingegen unkonkret.

Im Gegensatz zu Brüssel hat Berlin bisher wenig Fortschritte im Bürokratieabbau erzielt. Die Bundesregierung steht bei den Bauern unter Druck, da sie als Ausgleich für die Streichung der Agrardieselrückvergütung einen umfassenden Bürokratieabbau versprochen hat.

Ringen um die Stoffstrombilanz

Ein zentraler Streitpunkt ist die Stoffstrombilanz. Das Bundeslandwirtschaftsministerium () lehnt die Abschaffung der Stoffstrombilanz ab, obwohl mehrere Bundesländer dies gefordert haben. Staatssekretärin Ophelia Nick betont die Unverzichtbarkeit der Stoffstrombilanz, um die EU-Kommission zu beruhigen. Dem widerspricht die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, die behauptet, die EU-Kommission würde eine Abschaffung zulassen.

Erste Erfolge und weitere Maßnahmen

Von den 194 eingereichten Vorschlägen zum Bürokratieabbau wurden neun bereits umgesetzt. Dazu gehört die Abschaffung der Vorgabe, dass Rinder, Schafe oder Ziegen nur dann förderfähig sind, wenn sie zwei Ohrmarken tragen. Auch Formulierungen in der Anwendungsverordnung von Pflanzenschutzmitteln sollen vereinfacht werden.

Die bisherigen Maßnahmen zeigen, dass ein gewisses Maß an Entlastung bereits erreicht wurde. Es bleibt abzuwarten, welche weiteren Schritte auf Bundes- und EU-Ebene folgen werden, um die bürokratische Belastung der Landwirte nachhaltig zu reduzieren.

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