Die neue Bundesregierung zieht in Betracht, bisher nur als Notreserve gehaltene Kohlekraftwerke wieder in den regulären Betrieb zu übernehmen. Laut einem Bericht des Handelsblattes sollen diese Anlagen künftig nicht nur bei Versorgungsengpässen, sondern auch zur Stabilisierung des Strommarktes eingesetzt werden.
Die Maßnahme wird vor dem Hintergrund der zunehmenden Schwankungen im Stromnetz, die durch die wechselnde Einspeisung aus erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne entstehen, diskutiert. Diese Schwankungen führen zu starken Preisfluktuationen, wobei die Preisspitzen im Winter 2024 laut Handelsblatt zeitweise auf bis zu 1.000 Euro pro Megawattstunde anstiegen, im Vergleich zu normalen Preisen von 50 bis 100 Euro.
Die alten Kohlekraftwerke, die ursprünglich wegen des Kohleausstiegs nicht mehr regelmäßig betrieben werden sollten, könnten also wieder aktiviert werden, um Engpässe zu überbrücken. Diese Überlegungen werden von Union und SPD unterstützt.
Allerdings gibt es erhebliche Bedenken von Unternehmen und Wissenschaftlern gegenüber dieser Neuregelung. Sie warnen, dass der Einsatz alter Kohlekraftwerke den Bau neuer Gaskraftwerke verzögern könnte. Der Energieversorger Eon äußerte sich besorgt über potenzielle Wettbewerbs- und Marktverzerrungen, die durch ein solches Vorgehen entstehen könnten. Es sei problematisch, direkt in die Preisbildung einzugreifen, anstatt die Ursachen der Schwankungen zu adressieren.
Auch RWE sieht in der Rückholung alter Kraftwerke aus der Reserve einen Fehlweg, der die Entwicklung moderner Energiespeichertechnologien und Kraftwerke behindern würde, die erneuerbare Energien unterstützen sollen. Die Energiebörse EEX teilt diese Bedenken und spricht von einem drohenden massiven Vertrauensverlust bei Investoren.
Eigentlich war vorgesehen, dass die Ampelregierung ein Ausschreibungsverfahren für neue Gaskraftwerke einleitet, um die Lücke zu schließen, die durch den fortschreitenden Kohleausstieg entsteht. Das dafür benötigte Kraftwerkssicherheitsgesetz verzögerte sich jedoch und scheiterte letztendlich am Ende des vergangenen Jahres nach dem Bruch der Koalition.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) weist darauf hin, dass im Jahr 2024 die Strompreise nur selten, nämlich in 15 von 8.784 Stunden, über 500 Euro lagen. Der Strommarkt funktioniere im Großen und Ganzen gut, und eine solche Maßnahme würde das falsche Signal senden und wäre zudem schwer mit dem europäischen Beihilferecht zu vereinbaren.