Deutschland steht vor einer Herausforderung im Strommarkt: Im Norden und Osten des Landes wird durch die zahlreichen Windräder und die günstigen Windverhältnisse oft mehr Windstrom produziert, als vor Ort verbraucht oder gespeichert werden kann. Der Überschuss an Energie kann aufgrund von Netzengpässen nicht effizient zu den großen Verbrauchszentren im Westen und Süden transportiert werden. Aktuell reagieren die Netzbetreiber auf dieses Problem durch das sogenannte Redispatch-Verfahren, bei dem die Erzeugung im windreichen Norden und Osten gedrosselt und in anderen Regionen die Produktion in konventionellen Kraftwerken erhöht wird – ein teurer Prozess.
Zur Lösung dieses Dilemmas wurde von einer Gruppe von 12 Ökonomen, darunter Veronika Grimm, vorgeschlagen, Deutschland in verschiedene Strompreiszonen aufzuteilen. Diese Idee basiert auf der Annahme, dass ein einheitlicher Strompreis für ganz Deutschland die tatsächlichen Angebots- und Nachfrageverhältnisse nicht korrekt abbildet. Ein solches Modell wird bereits in anderen Ländern, etwa in den USA oder Norwegen, praktiziert, wo Strompreise je nach Netzregion variieren.
Die Einführung unterschiedlicher Preiszonen in Deutschland wird jedoch kontrovers diskutiert. Vor allem die EEX, Europas größte Strombörse mit Sitz in Leipzig, sowie Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur, stehen dem Vorschlag skeptisch gegenüber. Müller plant stattdessen eine Reform der Strompreise, die niedrigere Gebühren in windstarken Regionen vorsieht. Auch der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) mahnt zu einer differenzierten Betrachtung der Themen Netzentgelte und Preiszonen.
Kritiker der regionalen Preiszonen befürchten, dass diese die Energiewende behindern und die Wirtschaftlichkeit erneuerbarer Energiequellen beeinträchtigen könnten. Unterschiedliche Preiszonen könnten zudem zu stärkeren Preisschwankungen führen und die Investitionssicherheit in erneuerbare Energien gefährden. Die Wirtschaftlichkeit von neuen und bestehenden Anlagen stünde auf dem Spiel, und die Ausbauziele der Bundesregierung könnten untergraben werden.
Ein weiteres mögliches Risiko bei der Einführung von Strompreiszonen sind ausgeweitete negative Strompreise in Phasen hoher Einspeisung erneuerbarer Energien, was wiederum die Wirtschaftlichkeit der Anlagen schwächen und die Kosten für die EEG-Vergütung in die Höhe treiben könnte.
Während die Bundesregierung weiterhin auf den Ausbau der Stromnetze setzt, um das regionale Ungleichgewicht auszugleichen, verweisen Befürworter der Preiszonen auf mögliche Kosteneinsparungen für Verbraucher im windreichen Norden.