Die aktuelle Ernteschätzung der EU-Kommission für 2024 zeigt eine überraschend niedrige Getreideproduktion, die den europäischen Markt vor Herausforderungen stellt. Mit einer erwarteten Erntemenge von rund 255 Millionen Tonnen liegt das Ergebnis fast 5 % unter dem ohnehin schwachen Vorjahr und deutlich unter dem 5-Jahresdurchschnitt von 280,5 Millionen Tonnen. Das Niveau der Getreideproduktion ist damit auf den niedrigsten Stand seit 13 Jahren gefallen. Diese Situation führt dazu, dass die Ernte in diesem Jahr den jährlichen Verbrauch nicht decken kann.
Um den Bedarf von geschätzten 257 Millionen Tonnen zu decken, muss die EU ihre Vorräte stark reduzieren. Für den Handel mit Drittländern plant Brüssel Importe von insgesamt 31,2 Millionen Tonnen, wobei der größte Teil auf Mais (19 Millionen Tonnen) und Qualitätsweizen (10 Millionen Tonnen) entfällt. Gleichzeitig wird erwartet, dass die EU rund 39 Millionen Tonnen exportiert, davon etwa 25 Millionen Tonnen Weizen und 10 Millionen Tonnen Gerste. Die Endbestände an Getreide dürften dadurch um 9,4 Millionen Tonnen oder etwa 24 % sinken, wobei zwei Drittel dieses Rückgangs auf den Weizensektor entfallen.
Mehrere Faktoren tragen zu dieser knappen Ernte bei. Die Anbaufläche für Getreide in der EU ist um 4,4 % geschrumpft, was auf ungünstige Wetterbedingungen während der Aussaat zurückzuführen ist. Zudem fielen die Flächenerträge aufgrund regional ungleichmäßiger Niederschläge geringer aus und erreichen im Durchschnitt nur 50 dt/ha – im Vorjahr lag dieser Wert noch bei etwa 55 dt/ha. Besonders starke Ernteverluste wurden in Frankreich (-18 %), Ungarn (-16 %), Rumänien (-10,5 %), Deutschland (-9 %) und Italien (-8,7 %) verzeichnet.
Die Weizenernte, die traditionell eine bedeutende Rolle für die EU spielt, verzeichnete mit einem Rückgang von etwa 17 Millionen Tonnen oder knapp 10 % die größten Verluste. Auch bei Körnermais wird ein Minus von 6,5 Millionen Tonnen bzw. 7,5 % erwartet. Auf der anderen Seite konnte der Anbau von Sommergerste nach Ausfällen bei den Wintersaaten gesteigert werden, was eine leicht höhere Ernte bei Winter- und Sommergerste zur Folge hat. Hafer verzeichnete einen Anstieg von 36 %, spielt jedoch mit einem Anteil von nur 3 % am Gesamtaufkommen eine untergeordnete Rolle.
Die EU-Kommission geht davon aus, dass die Versorgungslage in der ersten Jahreshälfte 2025 angespannt sein wird, bevor die neue Ernte den Markt entlasten kann. Diese Knappheit wird voraussichtlich auch Auswirkungen auf die Preisbildung haben, insbesondere im Kontext der Weltmarktlage.