Der Agrarsektor hat sich in den letzten Jahrzehnten stetig verändert, wobei das Tempo des Wandels deutlich zugenommen hat. Neben diesem internen Wandel sieht sich die Branche immer häufiger mit nationalen und globalen Krisen konfrontiert. Für die Agrarbetriebe bedeutet dies ständige Anpassung und Flexibilität. Während viele Betriebe diese Herausforderungen meistern, fühlen sich manche davon überfordert. Die Frage, wie die Politik zur Krisenfestigkeit der Branche beitragen kann, wird immer dringlicher.
Prof. Alfons Balmann, Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO), äußerte sich kritisch zur aktuellen agrarpolitischen Ausrichtung. Auf dem diesjährigen Symposium der Rehwinkel-Stiftung hinterfragte er, ob es sinnvoll sei, dass Landwirte weiterhin auf eine Politik setzen, die an bestehenden Strukturen festhält und nur kleine Anpassungen vornimmt. Die Krisen der letzten Jahre, wie der Ukraine-Krieg, seien keine temporären Störungen, sondern hätten langfristige Auswirkungen auf die Weltlage und damit auch auf die Landwirtschaft.
Balmann wies darauf hin, dass die Landwirtschaft häufig darauf bestehe, weiterhin wie bisher gefördert zu werden. Er stellte jedoch die Frage, ob das bisherige Modell der Agrarpolitik und Landwirtschaft überhaupt noch zukunftsfähig sei. Er zeigte sich skeptisch gegenüber den Vorschlägen der Borchert-Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft, die beide auf traditionelle Lösungen setzen.
Laut Balmann birgt der Versuch der Politik, Probleme durch Regulierung und Subventionen zu lösen, ein hohes Risiko des Scheiterns. Er schlägt stattdessen einen grundlegend anderen Ansatz vor: Geschäftsmodelle sollten hinterfragt und moderne Technologien zur Erreichung politischer Ziele eingesetzt werden. Dies sei jedoch nicht mit kleinen Betrieben von 20, 30 oder 50 Hektar möglich, da die dafür notwendigen Systeme und Investitionen größere Strukturen erfordern. Trotz dieser Notwendigkeit sei es politisch populärer, kleine Betriebe zu unterstützen, was jedoch die Digitalisierung in der Landwirtschaft hemme.
Balmann plädiert dafür, gemeinsam mit der Landwirtschaft klare Ziele zu formulieren. Beispiele könnten das „Farm to Fork“-Konzept oder die Halbierung des chemischen Pflanzenschutzeinsatzes sein. Diese Ziele seien mit der richtigen Technologie erreichbar, sofern die Agrarbetriebe die Möglichkeit erhalten, diese Verfahren anzuwenden.
Derzeit setze die Politik jedoch auf den Erhalt des Status Quo und eine Mikrosteuerung, die in Überreglementierung und Bürokratie ende. In einer so vielfältigen Landwirtschaft könne dies nicht funktionieren und den Strukturwandel nicht aufhalten. Deutschland verschwende dabei erhebliche Mittel und blockiere gleichzeitig notwendige Veränderungsprozesse, die letztlich unausweichlich seien, so Balmann.