Jedes Jahr stellt die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) mit über 50 Milliarden Euro den größten Posten im Budget der Europäischen Union (EU) dar. Ein Großteil dieser Mittel wird in Form von flächenbezogenen Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe vergeben. Allein im Jahr 2023 erhielten landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland rund 4,4 Milliarden Euro an Direktzahlungen. Diese Zahlungen basieren grundsätzlich auf der bewirtschafteten Fläche, sind aber zunehmend an bestimmte Bedingungen geknüpft: Landwirte müssen Umwelt-, Verbraucher- und Tierschutzvorschriften einhalten. Die Höhe der Subventionen kann zudem durch die Betriebsgröße und das Alter der Landwirte beeinflusst werden, wie die Humboldt-Universität zu Berlin erklärt. Dr. Pascal Grohmann und Prof. Dr. Peter H. Feindt vom Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften haben die aktuelle Förderperiode der GAP von 2023 bis 2027 untersucht und festgestellt, dass diese Anpassungen die Rolle der Landwirte in der Gesellschaft und ihr Verhältnis zum Staat erheblich verändert haben.
Wandel in der Beziehung zwischen Staat und Landwirten
Heutzutage bestehen die flächenbezogenen Direktzahlungen aus verschiedenen Komponenten. Diese beinhalten nicht nur Umweltvorschriften, sondern auch spezifische Kategorien, die zu einer Umverteilung von größeren zu kleineren Betrieben führen. Zudem wird durch zusätzliche Leistungen für Junglandwirte eine Förderung von jüngeren gegenüber älteren Landwirten angestrebt. „Landwirte werden in der EU-Agrarförderung nun als eine Gruppe gesehen, die unter bestimmten Auflagen staatliche Unterstützung erhält und bei der potenziell abweichendes Verhalten vermutet wird, das überwacht werden muss“, erläutert Politikwissenschaftler Pascal Grohmann, Hauptautor der Studie.
Das Kontrollsystem: Ein verändertes Verständnis
Ursprünglich wurde das Kontroll- und Sanktionssystem von der Europäischen Kommission entwickelt, um sicherzustellen, dass die EU-Gelder ordnungsgemäß von den Verwaltungen der Mitgliedstaaten eingesetzt werden, so die Forscher. Inzwischen spiegelt es jedoch auch ein institutionelles Misstrauen gegenüber der Bereitschaft der Landwirte wider, ihre Flächen gemäß den gesellschaftlichen Erwartungen und Standards zu bewirtschaften, wie Grohmann weiter ausführt. Viele landwirtschaftliche Betriebe sind aufgrund des ökonomischen Drucks inzwischen stark von staatlichen Förderungen abhängig, obwohl die Teilnahme an diesen Programmen eigentlich auf Freiwilligkeit beruht. „Seit Jahrzehnten sind die Geschäftsmodelle vieler Betriebe auf den Erhalt von Direktzahlungen ausgerichtet, was dem Staat die Möglichkeit bietet, bessere Umwelt- und Tierschutzpraktiken durchzusetzen“, erklärt Peter Feindt. Dies führt zu Spannungen, da viele Landwirte sich als unabhängige Unternehmer sehen, die ihre Produktion maximieren möchten.
Bauernproteste als Ausdruck der Unzufriedenheit
Die Ergebnisse der Studie bieten einen neuen Erklärungsansatz für die deutliche Unzufriedenheit der Landwirte mit der aktuellen Agrarpolitik. Diese Unzufriedenheit äußerte sich zum Jahreswechsel 2023/24 in einer Reihe von Traktorenprotesten in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Belgien. Als Reaktion auf diese Proteste hat die Europäische Kommission im April 2024 die Auflagen für den Erhalt der Direktzahlungen angepasst, unter anderem durch die vorübergehende Aussetzung der Bereitstellung von Brachflächen, die zum Schutz der Biodiversität dienen sollten.
Die Entwicklung der staatlichen Unterstützung in der Landwirtschaft
Die Studie beginnt mit einer historischen Analyse der Maßnahmen zur Einkommenssicherung in der Landwirtschaft. In den 1950er Jahren wurden spezifische Merkmale der Agrarmärkte, wie die Abhängigkeit von Wetterbedingungen und die inflexiblen Produktionsprozesse aufgrund von Vegetationszyklen oder Standortgebundenheit, als Risiko für die landwirtschaftlichen Einkommen und somit für die Nahrungsmittelversorgung angesehen. Landwirte wurden daher als eine Gruppe betrachtet, die staatlich garantierte Einkommenssicherungsmaßnahmen „verdient“. Im Rahmen der GAP wurden die Einkommen der landwirtschaftlichen Betriebe ab 1962 über drei Jahrzehnte durch ein komplexes System von Preisfestsetzungen, Ankäufen von Überschüssen und Subventionen für Lagerung und Exporte unterstützt. Ab 1992 wurden die Marktpreisstützungen für wichtige Agrarprodukte schrittweise abgebaut und erstmals direkte Einkommensübertragungen eingeführt, um die Einkommensverluste der Landwirte zu kompensieren. Diese Direktzahlungen wurden im Laufe der Zeit und durch verschiedene Reformen der GAP weitgehend von der Produktion abgekoppelt und zunehmend an die Einhaltung von Umwelt-, Klima-, Gesundheits- und Tierschutzauflagen gebunden.
Die Entwicklungen in der GAP zeigen deutlich, dass die Beziehung zwischen Landwirten und Staat immer komplexer wird und neue Herausforderungen mit sich bringt. Es bleibt abzuwarten, wie diese Anpassungen die Landwirtschaft in Europa weiter beeinflussen werden.