Daniel Freund, EU-Haushaltskontrollpolitiker und Mitglied der Grünen, setzt sich vehement für eine transparentere Vergabe von EU-Mitteln ein. Besonders die landwirtschaftlichen Direktzahlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) kritisiert er scharf. Freund beklagt, dass die GAP die Entstehung einer „Kaste an durch Agrarbeihilfen gezüchteten Agrarmilliardären“ begünstigt habe.
Freund weist darauf hin, dass vor allem in östlichen EU-Mitgliedstaaten Personen mit engen Verbindungen zu Regierungskreisen überproportional von GAP-Geldern profitieren. Dies sei ein bekanntes Problem, jedoch werde oft nicht ausreichend dagegen unternommen. Im Interview mit AGRA Europe nannte er konkret das Umfeld des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán als Beispiel für diese Problematik.
Polen als Positivbeispiel
Trotz der Kritik sieht Freund auch positive Entwicklungen. In Polen habe der Druck durch das Einfrieren von mehr als 100 Milliarden Euro aus dem Kohäsionshaushalt und dem Corona-Wiederaufbaufonds (NextGenerationEU) zur Wahlniederlage der PiS-Regierung beigetragen. Die Nachfolgeregierung habe daraufhin zügig Maßnahmen zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit ergriffen.
Forderung nach transparenterer Mittelvergabe
Freund setzt seine Hoffnung auf die Revision der EU-Finanzordnung, die eine einheitliche Datenbank vorsieht. Diese soll unter anderem die größten Empfänger der GAP-Beihilfen offenlegen. Allerdings bedauert er, dass diese Transparenz erst ab 2028 aufgrund des Drucks der Mitgliedstaaten umgesetzt wird. Eine zielgerichtetere Verwendung der GAP-Gelder gegen Biodiversitätsschwund und das Höfesterben sei dringend notwendig. Eine effektive Obergrenze der Direktzahlungen könnte hierbei helfen, Industriebetriebe nicht mit Hunderten Millionen Euro zu unterstützen.
Warnung vor russischer Desinformation
Der ehemalige Mitarbeiter von „Transparency International“ warnt zudem vor gezielter russischer Desinformation. Es gebe starke Hinweise auf russische Einflussnahme in verschiedenen Bereichen, einschließlich der Landwirtschaft. Freund betont, dass die Landwirtschaft wachsam sein müsse, um sich nicht instrumentalisieren zu lassen.
Perspektive für die Ukraine und den westlichen Balkan
Zur Beitrittsperspektive der Ukraine befragt, betont Freund die Bedeutung einer europäischen Zukunft für das Land. Viele Ukrainer kämpften aktuell sprichwörtlich für diese Zukunft. Freund hebt hervor, dass die Ukraine bereits Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung gemacht habe und in diesem Bereich einige EU-Mitgliedstaaten überholt habe.
Freund sieht jedoch Herausforderungen für den EU-Agrarhaushalt im Falle eines Ukraine-Beitritts. Ohne einen angepassten Verteilungsschlüssel könnte mehr als ein Drittel des EU-Agrarbudgets in die Ukraine fließen. Daher fordert Freund einerseits mehr finanzielle Mittel von den Mitgliedstaaten, andererseits aber auch eine stärkere Qualifizierung der Mittelvergabe.
Reform der politischen Entscheidungsverfahren
Abschließend betont Freund die Notwendigkeit, politische Entscheidungsverfahren innerhalb der EU zu reformieren und effizienter zu gestalten. Besonders Entscheidungen, die bislang nach dem Prinzip der Einstimmigkeit gefällt werden, müssten künftig häufiger durch Mehrheitsbeschlüsse ersetzt werden, um die Handlungsfähigkeit der EU zu erhöhen.