Die ungarische Regierung, unter Führung von Ministerpräsident Viktor Orbán, sorgt in der Europäischen Union immer wieder für Konflikte. Besonders deutlich wird dies während des informellen EU-Agrarrats, der an diesem Wochenende in Budapest stattfinden soll und bei dem mehrere wichtige Sitze unbesetzt bleiben werden. Der ungarische Agrarminister Istvan Nagy, der derzeit den Vorsitz führt, wird feststellen müssen, dass einige seiner europäischen Amtskollegen nicht anwesend sein werden. Grund dafür ist unter anderem Ungarns Entscheidung, ein nationales Importverbot für landwirtschaftliche Produkte aus der Ukraine aufrechtzuerhalten, wobei nur der Transit von Produkten wie Weizen, Mais und Raps durch Ungarn erlaubt bleibt.
Diese Politik, die gegen EU-Recht verstößt, ist eine von vielen Maßnahmen, mit denen die ungarische Regierung innerhalb der EU immer wieder für Spannungen sorgt. Die Abwesenheit von Schlüsselfiguren wie dem deutschen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir unterstreicht die Distanzierung einiger EU-Staaten von der ungarischen Ratspräsidentschaft. Özdemir wird das Treffen nicht besuchen, da er zur gleichen Zeit eine Handelsmesse in Thessaloniki mit Wirtschaftsminister Robert Habeck eröffnet, bei der Deutschland das offizielle Gastland ist. Stattdessen wird Deutschland durch eine Abteilungsleiterin des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vertreten.
EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski wird voraussichtlich ebenfalls nicht an der Sitzung teilnehmen, sollte er der Anweisung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen folgen, die ihre Mitarbeiter schon Mitte Juli angewiesen hatte, an solchen informellen Treffen nicht teilzunehmen. Die Kommission plant, nur hochrangige Beamte zu entsenden und verzichtet auf ihre traditionelle Sitzung im Land der Ratspräsidentschaft.
Der Boykott spiegelt das angespannte Verhältnis zwischen der Europäischen Union und Budapest wider. Özdemir hatte bereits bei einem früheren Agrarratstreffen darauf hingewiesen, dass es Aufgabe der EU-Ratspräsidentschaft sei, im Sinne der gesamten Union zu handeln und nationale Interessen hintanzustellen, um als neutraler Vermittler aufzutreten. Ungarn jedoch verfolgt unter Orbáns Führung weiterhin einen nationalistischen Kurs und hebt sich damit von den gemeinschaftlichen EU-Prinzipien ab. Neben dem Importverbot für ukrainische Agrarprodukte erhebt Ungarn auch Sondersteuern auf Gewinne von Einzelhandelskonzernen aus anderen EU-Staaten, was ebenfalls EU-Recht widerspricht. Berichten zufolge mussten große deutsche Discounter wie Lidl und Aldi in Ungarn hohe Sondersteuern zahlen, die weit über den üblichen Körperschaftssteuern liegen.
Ein weiteres umstrittenes Gesetz betrifft den Verkauf von Lebensmitteln mit nahendem Mindesthaltbarkeitsdatum. Trotz bereits zweijähriger Gültigkeit in Ungarn wurde das Gesetz, das den Verkauf von Produkten wie Fleisch, Milch und Brot innerhalb von 48 Stunden vor Ablauf der Mindesthaltbarkeit verbietet, erst kürzlich zur Notifizierung bei der EU eingereicht, was weitere Rechtsverstöße gegen EU-Vorgaben darstellt.