In der heutigen Landwirtschaft gelten CLAAS-Traktoren auf Raupenfahrwerken als besonders fortschrittlich. Doch diese Technologie blickt auf eine lange Tradition zurück, die bereits vor mehr als einem Jahrhundert bei Renault begann.
Während der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts gab es zwei grundlegende Ansätze bei der Motorisierung landwirtschaftlicher Maschinen. Welchen Weg ein Unternehmen einschlug, hing meist von den eigenen Fertigungstechniken und der Werkstattausstattung ab.
Diejenigen Firmen, die zuvor Dampfmaschinen hergestellt hatten, verfügten oft über geeignete Anlagen, um große Einzylindermotoren mit horizontaler Bauweise zu fertigen. Beispiele hierfür waren Marshall, Lanz oder der französische Hersteller SFV. Andere Hersteller wiederum, die sich erst später der Landwirtschaft zuwandten, bevorzugten kleinere Motoren mit mehreren stehenden Zylindern. Diese waren entweder Eigenentwicklungen oder stammten von Automobilproduzenten. Generell lässt sich sagen, dass Unternehmen, die damals moderne Technik bevorzugten, länger am Markt blieben.

Natürlich gab es Ausnahmen. So hielt der italienische Hersteller Landini bis in die 1950er Jahre an horizontalen Einzylindermotoren fest. Auch John Deere produzierte noch bis etwa 1960 Traktoren mit liegendem Zweizylindermotor. Beide Unternehmen sind heute weiterhin erfolgreich tätig.
Renault gehörte zu den Herstellern, die früh auf die kompakteren Motoren mit mehreren Zylindern setzten. Bereits zum Ende des Ersten Weltkriegs präsentierte Renault seinen ersten echten Traktor.
Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen orientierte sich Renault bei der Konstruktion seiner landwirtschaftlichen Maschine nicht an Dampfmaschinen oder Lastwagen. Vielmehr wurde ein militärisches Fahrzeug zum Vorbild genommen, das während des Ersten Weltkriegs entwickelt wurde: der Panzer Renault FT. Dieser gilt bis heute als Urtyp moderner Panzer, da seine Bauform den Standard für spätere Modelle setzte.
Louis Renault persönlich entwickelte das Fahrzeug mit dem Motor hinten und dem Fahrer vorne. In der Mitte befand sich der weltweit erste schwenkbare Geschützturm.
Über 3.000 Exemplare des Renault FT wurden damals gefertigt, sowohl in Frankreich als auch in Lizenz im Ausland. Bald nach dem Krieg entschied sich das Unternehmen, sein Wissen über Raupenfahrzeuge auf zivile Traktoren zu übertragen.
Der erste Versuch, ein ziviles Kettenfahrzeug zu entwickeln, trug die Bezeichnung GP. Der Motor befand sich hier jedoch vorne. Renault verbaute eine Eigenentwicklung mit vier Zylindern und einer Leistung von rund 30 PS bei einem Hubraum von 4,5 Litern. Dieses Fahrzeug war allerdings nur ein Prototyp.
Bis 1920 entwickelte sich aus diesem Prototyp schließlich der Renault HI. Ein Großteil der praktischen Erprobungen fand auf Louis Renaults eigenen landwirtschaftlichen Flächen in der Normandie statt, darunter auch auf dem 4.000 Hektar großen Gut Chateau Herqueville.
Renault fertigte bereits seit 1905 eigene Motoren. Für den FT-Panzer war ein spezieller Motor entwickelt worden, der auch unter extremen Neigungswinkeln funktionieren konnte. Ob diese Fähigkeit in die Traktoren übernommen wurde, ist heute nicht sicher.
Ein optisches Merkmal fiel jedoch sofort auf: Die Motorhaube der Renault-Traktoren erinnerte stark an die bekannten Renault-Taxis aus Paris und London. In Frankreich wurde diese charakteristische Form als „Alligatorhaube“ bezeichnet.
Damals erkannte Renault, dass die Landwirtschaft von Motoren mit innerer Verbrennung stark profitieren könnte. Neben den Kettenfahrzeugen brachte das Unternehmen deshalb 1920 mit dem Modell HO eine Radversion des HI auf den Markt.
Ein weiterer wichtiger Schritt erfolgte im gleichen Jahr mit der Gründung des Entwicklungszentrums in Le Mans im Norden Frankreichs. Allerdings dauerte es rund 20 Jahre, bis aus diesem Standort tatsächlich eine Fabrik wurde – die aufgrund ihrer Lage später ein leichtes Ziel für alliierte Luftangriffe darstellte.
1926 reagierte Renault mit dem PE 20 auf den Bedarf kleinerer landwirtschaftlicher Betriebe. Der PE 20 besaß einen kleineren Benzinmotor mit 2,1 Litern Hubraum und 20 PS. Das Modell war leichter, wirtschaftlicher und markierte den Übergang weg von der reinen Adaption militärischer Technik hin zu eigenständigen landwirtschaftlichen Fahrzeugen.
Dennoch blieb die Mechanisierung französischer Höfe zwischen den beiden Weltkriegen eher langsam. Fotos aus den 1920er Jahren zeigen Renault-HI-Traktoren, die nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch in der Forstwirtschaft und beim Militär eingesetzt wurden.
Noch 1938 produzierte Renault lediglich rund 40 Traktoren pro Monat, war aber trotzdem Frankreichs größter Hersteller. Dies zeigt, dass Pferde bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs auf französischen Höfen dominierend blieben.
Zu diesem Zeitpunkt wirkten sich die politischen Einstellungen Louis Renaults entscheidend auf die weitere Entwicklung des Unternehmens aus. Seine Sympathien und Kontakte zur deutschen Besatzung sind bis heute umstritten. Klar ist jedoch, dass der französische Widerstand Renault seine Beziehungen zu Deutschland vorwarf.
Louis Renault verstarb schließlich unter ungeklärten Umständen in Haft. Die neue französische Regierung übernahm danach das Unternehmen und führte es als staatlichen Betrieb weiter.
Bis 1949 wurde Renault der größte Traktorenhersteller Frankreichs mit einer Kapazität von rund 10.000 Fahrzeugen jährlich. In den 1950er Jahren verlor Renault jedoch diese Spitzenposition an Massey Ferguson, das damals 35 bis 40 Prozent Marktanteil erreichte.
In den 1960er Jahren änderten sich dann die Bedingungen auf dem Traktorenmarkt grundlegend: Traktoren wurden größer und teurer, weshalb Renault internationale Kooperationen einging, etwa mit John Deere, Perkins und Allis Chalmers.
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts sank die globale Nachfrage nach Traktoren deutlich. Dies zwang Renault erneut zur Umstrukturierung. Schließlich übernahm 2005 CLAAS zunächst 51 Prozent und 2008 das gesamte Unternehmen.
Nach der schwierigen Kriegszeit wirkt es heute durchaus bemerkenswert, dass ein deutsches Unternehmen, CLAAS, die traditionsreiche Renault-Fabrik übernommen hat. Inzwischen bietet CLAAS eine eigenständige Traktorpalette an, einschließlich spezieller Modelle mit Raupenfahrwerken.
Damit schließt sich der Kreis zu Louis Renault, dem Erfinder des modernen Panzers und zahlreichen weiteren Innovationen.