Was als Erfolg des Artenschutzes begann, stellt nun für viele Landwirte in Niedersachsen eine ernsthafte Bedrohung dar. Tausende von Nonnengänsen verursachen erhebliche Schäden an jungen Getreidebeständen und Grünlandflächen. Carl Noosten, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Gänse im Landvolk Niedersachsen, beschreibt die Situation dramatisch: „Jeder Biss ist ein Schaden, und diese große Schar an Tieren frisst unfassbar viel.“ Binnen weniger Stunden können zuvor grüne Äcker kahl gefressen sein.
Die Situation wird dadurch verschärft, dass Sommersaatgut in diesem Jahr besonders knapp und teuer ist. Dies folgt auf bereits verheerende Schäden, die die Gänse im Winter an den Winterweizenbeständen angerichtet hatten. Landwirte, die bereits die zweite Aussaat tätigen, stehen unter enormem Druck.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen erschweren eine effektive Schadensbegrenzung. „Ein dauerhaftes Vergrämen oder Abschüsse sind verboten, obwohl die Schäden von Jahr zu Jahr zunehmen“, erläutert Noosten. Dies führt zu einer zunehmenden Frustration unter den Bauern, die den wachsenden Gänsepopulationen scheinbar machtlos gegenüberstehen.
Erich Hinrichs, Mitglied der Arbeitsgruppe Landwirtschaft der AEWA European Goose Management Group, weist auf die Notwendigkeit eines grenzüberschreitenden Managements hin. „Management bedeutet nicht zuerst Jagd, sondern fängt mit gutem und ehrlichem Bestandsmonitoring an.“ Er kritisiert, dass die Zählungen oft unzureichend sind und viele Gänse außerhalb der erfassten Gebiete bleiben.
In anderen europäischen Ländern wie den Niederlanden und Dänemark wird die Situation anders gehandhabt als in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Dies wirft Fragen auf bezüglich der Konsistenz und Effektivität des Vogelschutzmanagements in verschiedenen Regionen.
Die Bemühungen der AEWA, durch das Abkommen zur Erhaltung der afrikanisch-eurasischen wandernden Wasservögel Managementpläne für die Nonnengans und Graugans zu entwickeln, werden vom Bundesumweltministerium nicht vollständig unterstützt, so Hinrichs. Er vermutet ideologische Gründe hinter dieser Zurückhaltung, obwohl der Erhaltungszustand der Arten als gesichert gilt.
Die Lösung dieser Konflikte ist dringend, um sowohl die Landwirtschaft als auch den Flugverkehr zu schützen. Die Schäden, die die Gänse verursachen, sind erheblich und beeinträchtigen auch die Qualität des Futters für Milchkühe, da der Mähzeitpunkt des ersten Schnitts oft verschoben werden muss. Noosten beschreibt, dass Milchkühe, gestört durch die Gänse, oft nicht einmal mehr auf die Weiden gehen möchten.
Die Herausforderung bleibt bestehen, den Schutz der Gänse mit den Bedürfnissen der Landwirtschaft in Einklang zu bringen und effektive, akzeptierte Lösungsansätze zu finden und umzusetzen.