Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir erhält nach zwei Jahren Amtszeit deutliche Kritik von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die Oppositionspartei wirft dem Grünenpolitiker vor, kaum Erfolge vorzuweisen und stattdessen überwiegend Ankündigungen ohne Substanz zu machen. In einem Schreiben an die Mitglieder ihrer Fraktion erklären Fraktionsvize Steffen Bilger und der agrarpolitische Sprecher Albert Stegemann, dass Özdemir für eine pragmatische und machbare Agrar- und Ernährungspolitik nicht geeignet sei. Sie beschuldigen ihn, entgegen seiner öffentlichen Aussagen eine einseitig grüne Agenda zu verfolgen.
Die CDU-Politiker kritisieren insbesondere Özdemirs „verquere Pläne für Lebensmittelwerbeverbote“ und bemängeln, dass seine Politik hauptsächlich auf medienwirksame Ankündigungen und Forderungen gegenüber den Koalitionspartnern beschränkt sei. Nach Ansicht der Union mangele es der Politik Özdemirs an Substanz und wissenschaftlicher Grundlage, es sei denn, sie passe in sein eigenes Weltbild. Man werde daher genau beobachten, wie sein Ministerium die auf wissenschaftlicher Grundlage getroffene Entscheidung der EU, Glyphosat für weitere zehn Jahre zuzulassen, umsetzen werde.
Bilger und Stegemann betonen, dass Özdemir keinen Bezug zu innovativen Entwicklungen in der Land- und Ernährungswirtschaft habe, die zur Sicherung der Ernährung und zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen könnten. Dies betreffe sowohl neue Züchtungsmethoden als auch innovative Pflanzenschutzmittel und den Einsatz digitaler Technologien in der Landwirtschaft.
Besonders kritisch sieht die Union die Pläne zur Streichung der Agrardieselvergünstigung und der Kfz-Steuerbefreiung für die Land- und Forstwirtschaft. Steffen Bilger vermutet, dass diese Maßnahmen möglicherweise sogar aus Özdemirs Ministerium in die Haushaltsdiskussion eingebracht wurden. Solche Schritte, die pauschal als „umweltschädlich“ eingestufte Subventionen abbauen sollen, seien ein Standardthema der Grünen. Diese Politik fällt Özdemir nun „brutal auf die Füße“, so Bilger weiter.
Albert Stegemann sieht im geplanten Abbau der Agrardieselvergünstigung und der Kfz-Steuerbefreiung den größten finanziellen und politischen Einschnitt, den die Landwirtschaft je erfahren hat. Für ihn stellt die Ampelregierung eine Bedrohung für die bäuerliche Landwirtschaft dar. Auch Josef Rief, ein weiterer Abgeordneter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, kritisiert die ungleiche Verteilung der Einsparungen im Bundeshaushalt. Von den geplanten Subventionskürzungen in Höhe von rund 3 Milliarden Euro soll nahezu 1 Milliarde Euro von der Landwirtschaft eingespart werden.
Der agrarpolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Artur Auernhammer, zeigt sich verwundert über die Reaktionen der Grünen und der FDP auf die Kürzungspläne der Ampelkoalition. Anstatt die Sorgen der Landwirte ernst zu nehmen, schieben sich Grüne und FDP gegenseitig die Schuld zu. Dies helfe jedoch niemandem weiter, so Auernhammer. Die Schuldzuweisungen zwischen den Koalitionspartnern zeigten deutlich, dass niemand in der Koalition bereit sei, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Das sei ein Armutszeugnis für die Bundesregierung.
Auernhammer äußert zudem scharfe Kritik an der FDP, die er als „neue Steuererhöhungspartei“ bezeichnet, die versuche, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Ernüchtert zeigt er sich auch über die Rolle des Bundeslandwirtschaftsministers, der offensichtlich im Kabinett „zu unwichtig“ sei, um in die Verhandlungen eingebunden zu sein.
Die Politik zur Weiterentwicklung der Tierhaltung kommt laut einem weiteren Schreiben der Union über Ankündigungen nicht hinaus. Landwirte, die bereit sind zu investieren, erhalten keine Planungssicherheit, da es an einer langfristigen staatlichen Förderperspektive fehlt. Auch die Finanzierung der höheren Kosten für den Umbau der Ställe zu besseren Haltungsbedingungen bleibt unklar. Bisher beschränkt sich die Haltungskennzeichnung nur auf frisches Schweinefleisch von in Deutschland gehaltenen Tieren.
Bilger und Stegemann kritisieren außerdem die enge Zusammenarbeit zwischen dem Agrar- und dem Umweltministerium, die zu Lasten der Landwirtschaft gehe. In der Waldpolitik und im Umgang mit dem Wolf dominiere das Umweltministerium. Der Entwurf für eine Novelle des Bundeswaldgesetzes stelle die Waldbesitzer unter Generalverdacht, schaffe zusätzliche Bürokratie und sehe neue Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten vor. Auch beim Thema Wolf scheue die Koalition bundesrechtliche Maßnahmen zur Begrenzung der Wolfspopulation.
Abschließend werfen die Unionspolitiker Özdemir vor, in der europäischen Agrarpolitik keine klare Linie zu verfolgen. So habe er die erneute Aussetzung der GAP-Flächenstilllegungen für 2024 nicht unterstützt und sich bei den gescheiterten EU-Pflanzenschutzplänen im Europäischen Parlament nur halbherzig engagiert. Zwar habe er die Pläne der EU-Kommission kritisiert, die Verhandlungen jedoch weiterlaufen lassen, ohne klare Position zu beziehen.