Die Frage, ob Landhändler beim Ankauf von Getreide, Kartoffeln und Leguminosen die Einhaltung sortenschutzrechtlicher Vorschriften überprüfen müssen, steht im Mittelpunkt von Diskussionen innerhalb der Landwirtschaftsgemeinschaft. Dies folgt aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom November 2023, die als „Erntegut-Entscheidung“ bekannt ist und die Rechtsprechung zu diesem Thema beeinflusst.
In dem verhandelten Fall (Az.: X ZR 70/22) hatte eine Betriebsprüfung Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung von Saatgut aufgedeckt, das weder lizensiert noch anerkannt war. Die Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (STV) reichte daraufhin Klage ein, sowohl gegen die betroffenen Landwirte als auch gegen den Landhändler, der das Erntegut gekauft hatte. Der BGH entschied letztendlich, dass der Landhändler eine „Erkundigungspflicht“ habe, um sicherzustellen, dass das erworbene Erntegut in Übereinstimmung mit den geltenden Sortenschutzbestimmungen produziert wurde.
Diese Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen auf die Praxis der Landwirtschaft. Die STV hat bereits Handlungshinweise an die Landhändler weitergegeben, was zu Verunsicherungen in der Branche führt. Rechtsanwalt Jens Beismann betont jedoch, dass die „Erkundigungspflicht“ nicht als umfassende Nachforschungspflicht missverstanden werden sollte. Es genüge, wenn sich der Landhändler durch Nachfragen bei seinen Lieferanten vergewissere, dass der Sortenschutz eingehalten wurde.
Für Landwirte ist es wichtig zu beachten, dass das Urteil keine Einschränkungen für den Anbau von Sorten ohne Sortenschutz oder von Sorten, für die keine Nachbaugebühr erhoben wird, vorsieht. Dennoch verlangen einige Landhändler nun schriftliche Bestätigungen von den Landwirten, was möglicherweise zu einer Einschränkung des freien Marktzugangs führen könnte.
Die Interessengemeinschaft Nachbau (IG-Nachbau) hat das Vorgehen einiger Landhändler bereits kritisiert und warnt vor übermäßiger Bürokratie durch die Einführung eines umfassenden Erfassungssystems für Saatgutkäufe und Anbaudaten.